... Oliver D. Endreß hat "Linke Läufer" als ein Kammerspiel in der Umkleidekabine (Bühne: Birgit Leizinger) inszeniert. Gerd Beyer als Konrad schwört im ersten Teil in einem emphatischen Monolog die imaginäre Mannschaft auf den Sieg ein: Er ist besessen von dem Spiel als taktischem Manöver, ist ein kluger Fußballlehrer mit heißem Triumph-Begehren. Psychologisch geschult, sorgend wie ein Vater, knöpft er sich jeden einzelnen Spieler vor, lockt ihn und weist ihn in die Schranken, zeigt ihm Grenzen und spornt ihn zu Hochleistungen an. Noch ist da nichts zu spüren von dem wirklichen Gegner, der in Nürnberg gleich neben dem Club residiert. Für Konrad sind die ersten bedrohlichen Anzeichen antisemitischer Ressentiments noch nicht Warnung genug. Und doch wird das die Abschiedsrede an seine Elf sein. ...
...Albert Ostermaiers Auftragswerk "Linke Läufer (Erster Sein). Ein Requiem für Jenö Konrad" hingegen beginnt in der Uraufführungs-Inszenierung von Oliver D. Endreß verhalten, um dann sukzessive an Dichte und Dringlichkeit zu gewinnen. Am Ende gibt es in der Bluebox Jubel für die Schauspieler Gerd Beyer und Martin Bruchmann sowie für ein Stück, dass entgegen anfänglicher Befürchtung mehr zu bieten hat als Fußballnostalgie. ...
Das Stück hat zwei Halbzeiten. In der ersten hält Jenö Konrad in der Kabine eine Abschiedsrede an seine geliebten Spieler. Die sind gar nicht zugegen. Es ist dies der Monolog eines Menschen, der für den Fußball lebt, von Gerd Beyer mit großer Feinnervigkeit gesprochen. ... Im zweiten Teil taucht ein SA-Mann auf, der in Anspielung auf die Stürmer-Hetze Stürmer heißt. Zwischen den beiden entspinnt sich ein Wortgefecht, in dem die Dummheit der Nazis und ihrer Rassenideologie am Beispiel Fußball freigelegt wird. ...
Wie in einem richtigen Fußballspiel dauert das Stück 90 Minuten. Die Bühne erinnert an ein kleines Spielfeld: ganz in rot - nur sechs mal fünf Meter groß. In den ersten 45 Minuten hält Schauspieler Gerd Beyer als Jenö Konrad eine flammende Abschiedsrede an seine Spieler - die aber gar nicht auf der Bühne sind. Dieser Monolog ist ein intensives Kammerspiel, das den Zuschauer vom ersten Augenblick an in den Bann zieht.
So lang wie ein Fußballspiel dauert Albert Ostermaiers Stück "Linke Läufer (Erster Sein) - eine Hommage an den 1.FCN und seinen einstigen Trainer Jenö Konrad, die ihre Uraufführung in der Bluebox des Nürnberger Staatstheaters erlebte und mit Bravorufen gefeiert wurde. Schweissnass schon lange vor dem Abpfiff: Gerd Beyer, der Konrad mit Leib und Seele verkörpert. (...)
Konrad hebt zu seiner Abschiedsrede an. Ein wütender, verzweifelter, emphatischer Monolog, der mit einer Liebeserklärung an den Club beginnt und zur Abrechnung mit dem braunen Ungeist wird, dessen Begriffe dem Fußball so ähneln - Kampf, Sieg, Sturm ... doch die Horden da draußen, deren dumpfes Geschrei man aus der Ferne hört, meinen es tödlich ernst damit. (...)
In der spannungsvollen Inszenierung von Oliver Endreß entfaltet Beyers intensive Darstellung eine Dringlichkeit, die unter die Haut geht. (...)
Wenn er seinen Spielern dann so leidenschaftlich-liebevoll die Leviten liest, als stünden sie direkt vor ihm, ihre Stärken und Schwächen als Menschen und Sportler analysiert, nähert sich Ostermaiers Text auch dem literarischen Feingeist Konrad, der sich mit Wagner und Brecht, Schiller und Goethe auskennt. (...)
Beim Epilog, der 1955 im amerikanischen Exil spielt, steht Konrad in der Ecke hinter dem Publikum, allein im Scheinwerferlicht und muss sich der dreisten Fragen eines Reporters erwehren. Bescheiden, aber bestimmt, unbestechlich, mit seinem Schicksal versöhnt, sich und dem Club treu geblieben - ein stilles, starkes Schlussbild am Ende eines starken Stücks.